Hab ich euch schon mal von dem Seminar "Mit Hund ins Gebirge" erzählt? Ist zwar schon wieder drei Jahre her, dass ich da dabei war, aber was wir erlebt haben, war für alle richtig spannend ...
Zitternd vor Anstrengung und Konzentration bewegt sich die schwarze Labradorhündin July auf dem unwegsamen, teils scharfkantigen Geröllfeld nur vorsichtig vorwärts. Fast ängstlich setzt sie langsam eine Pfote nach der anderen, verharrt immer wieder, um sich auszuruhen.
Als am Abend vorher Hundetrainerin Susanne Kienzl erklärte, dass nicht jeder Hund trotz angeborenem „Allrad“ trittsicher ist, wollte das keiner der Seminarteilnehmer so Recht glauben. Doch July liefert gerade den besten Beweis. „Viele Hunde haben überhaupt kein Gespür für Ihre Hinterhand und wie sie ihre Pfoten setzen müssen", so die Hundetrainerin. „Ein Hund, der tagtäglich nur am Asphalt spazieren geht, wird sich am Berg recht schwer tun.“ Problematisch, wenn man dann mit so einem Hund plötzlich in der Einsamkeit der Berge nicht mehr weiter weiß, weil der Vierbeiner vor Erschöpfung oder Angst keinen Schritt mehr tut.
Drei Tage lernen wir Wichtiges zum Bergwandern mit Hund
Damit das nicht passiert, bot Rettungs- und Therapiehundetrainerin Susanne Kienzl das Seminar „Hund im Gebirge“ an, bei dem drei Tage lang Grundlegendes rund ums Thema erklärt wurde. Die Neue Regensburger Hütte im Stubaital ist auf über 2.000 Metern Höhe mit Bach, Wasserfall, einem Badesee, vielen Felsen und einem Geröllfeld ein recht außergewöhnlicher Ort für ein Seminar, aber der ausgeschriebene Kurs ist ja auch nicht alltäglich: acht Vierbeiner samt ihrer Besitzer haben sich hier dazu eingefunden, und trotz des (für manche recht) beschwerlichen Aufstiegs (1.000 Höhenmeter bei gut 30 Grad im Schatten) ist die Stimmung gut – bei Mensch und Tier.
Ich habe mich auch angemeldet, um vor dem Schreiben meines Buches zusätzlich zu meinen Erfahrungen noch zu recherchieren, ob es Dinge gibt, die ich noch nicht weiß und für meine Leser wichtig sind ...
Beim Theorieabend am ersten Tag liegen die Hunde so brav auf engstem Raum beieinander, als ob sie schon lang ein eingespieltes Rudel wären. Abends heißt es übrigens immer bis halb zehn Theorie pauken, morgens geht es um 9 Uhr mit der Praxis los. Zunächst mit den wichtigsten Voraussetzungen, die ein zukünftiger „Berghund” unbedingt erfüllen sollte: Vertrauen zum Besitzer, Gehorsam, Verträglichkeit, Erziehung und Gesundheit – und natürlich Geländegängigkeit.
Nicht jeder Hund ist von Natur aus geländegängig
So wird erst einmal der „Allrad” der einzelnen Hunde auf Herz und Nieren geprüft, und zwar nicht gleich am Felsen, sondern auf einer ganz einfachen, handelsüblichen Holzpalette. Unsere Hunde sollen dabei langsam über die Holzbretter gehen, ohne in die Zwischenräume abzurutschen, und dabei die Pfoten kontrolliert setzen.
„Das schafft mein Ari mit links“, denk ich mir noch. Doch er denkt das auch, und wie fast alle anderen versucht er, die Aufgabe mit Schnelligkeit zu lösen. Er rennt völlig gedankenlos über das Übungsgerät – Hauptsache drüber. Die Trainerin lacht: „Häufig kommt es vor, dass Hunde ihre Hinterbeine schlecht wahrnehmen und das dann einfach durch Geschwindigkeit kompensieren. Das wollen wir durch gezielte Übungen ändern, die auch daheim überall durchführbar sind.
Verschiedene Bodenbeschaffenheiten im Alltag machen die Ballen belastbarer und auch sensibler für motorische Reize. Damit es nicht eintönig wird, lassen wir unserer Kreativität freien Lauf, denn egal ob auf Holzstämmen, am Trimm-Dich-Pfad mit Waldboden, über Stangen oder in einem ausgetrockneten Flussbett – überall können wir trainieren.“
Auch beim Bergwandern soll der Hund seinem Besitzer folgen - überallhin
Apropos Übungen: Ein Highlight des Seminars ist die Trockenübung zum „Gondelfahren”. In Ermangelung eines Liftes wird kurzerhand das hauseigene Ruderboot der Neuen Regensburger Hütte zweckentfremdet. Nacheinander muss je ein Hund in das wackelige Plastikboot, um sich eine Runde über den Badesee schippern zu lassen. „Es geht darum, dass der Besitzer lernt, wie er seinen Hund motivieren kann, ihm überall hin zu folgen. Egal ob das nun eine Gitterbrücke, die wackelige Seilbahngondel – oder eben das Boot ist”, so Kienzl.
Bei strahlendem Sonnenschein kann der Rest der Truppe von einem Felsen das Geschehen am idyllischen Bergsee beobachten. Jeder Hund hat seinen eigenen Charakter, und so geht die Bootsübung mal mit mehr, mal mit weniger Wasserkontakt für den Besitzer ab. Ari und ich sind als letztes dran, und als ob er dem Rest seines „Bergrudels“ zeigen möchte, was er beim Zuschauen alles gelernt hat, springt er vor mir und der Trainerin ganz besserwisserisch allein ins Boot. Also muss er nochmal raus und das ganze langsam und auf Kommando absolvieren. Schließlich rudert uns die Ausbilderin rundum.
Mein treuer Begleiter steht dabei mit den Vorderbeinen auf meinen Oberschenkeln wie eine Galionsfigur. Ganz, als ob er sagen wollte: „Schaut her, so einfach geht das!“ „Tatsächlich lernen Hunde auch viel im Rudel durchs Zusehen und Nachmachen“, erklärt mir die Trainerin dabei.
Wichtige Kommandos müssen aus dem Effeff sitzen!
Später zeigt sie uns, wie die Kommandos, die ein Hund bei Bergtouren aus dem Effeff beherrschen sollte, schon daheim langsam antrainiert werden können: Ein zuverlässiges „Stopp oder Steh” ist vor Abhängen, Stromzäunen und weiteren Hindernisse am Berg teils lebenswichtig.
Auch das Kommando „Hinten“ hat sich bewährt: „Verlässlich hinter dem Besitzer zu gehen hat sich am Berg als ein sehr praktisches Kommando erwiesen. An engen Stellen ist der Hund praktisch aufgeräumt und niemanden im Weg. An steilen Passagen läuft der Besitzer nicht Gefahr, vom Hund bergab gezogen zu werden. Für eher unsichere Hunde ist es auch leichter, sich einfach an den Besitzer anzuhängen. Außerdem wird der Hund gehindert, schnell abwärts zu laufen. So muss er seine Schritte bewusst setzen, was seiner Gesundheit und dem Gelenksapparat nur zugute kommt“, erklärt die Expertin.
Dann wird der Umgang mit Weidevieh erläutert, das Hund und Mensch im Gebirge auch aus der Ruhe bringen kann. Die Schafe, die zufällig gerade in der Nähe des Trainingsgeländes sind, verhalten sich aber gar nicht so wie übliches Almvieh: Neugierig gehen sie auf die Hunde zu und geben nur wiederwillig den Weg frei. Für manche der Hundebesitzer ist es schier unglaublich zu sehen, wie gelassen die (ansonsten teils sehr jagdambitionierten) Vierbeiner unter Anleitung der Trainerin auch diese Situation meistern.
Ein guter Berghund braucht Vertrauen, Ruhe und Sicherheit vom Herrli
„Vertrauen, Ruhe und das Vermögen, dem Hund Sicherheit zu vermitteln sind das Wichtigste, um gut mit dem Hund durchs Gebirge zu kommen“, davon ist Kienzl überzeugt. „Dann kann
man den Hund im Notfall auch über kurze, schwierige Stellen tragen oder auch mal über eine heikle Stelle heben und an einen standfesten Mitwanderer übergeben. Aber das muss
vorher unbedingt geübt werden.“ Gesagt, getan, und siehe da: Auch schüchterne Hunde lassen sich (zur Not mit Leberwurst aus der Tube bestochen) vom Boden heben, an die Trainerin übergeben und von
ihr tragen.
Ganz wichtig ist natürlich auch die Ausrüstung: „Am Berg hat ein Halsband wegen der
Strangulierungsgefahr nichts verloren”, stellt Kienzl klar, die selbst schon zusehen musste, wie ein Hund sich bei einem Sturz wegen eines verklemmten Halsbandes das Genick gebrochen
hat. „Am besten für Wanderungen mit dem Hund ist ein gut sitzendes Brustgeschirr, das zu dem Körper des Hundes passt, nicht rutscht und keine Scheuerstellen fabriziert. Eine
Leine, je nach Vorliebe starr, mit Expander oder eine Flexileine und ein Faltnapf für Wasser oder Futter gehören wie ein Erste-Hilfe-Set in
jeden Rucksack”, so die Trainerin. „Falls es sich bei der Beschaffenheit der Wege um sehr scharfkantiges Gestein oder Geröll handelt, haben sich auch Booties bzw. Pfotenschuhe bewährt.“
Noch viele weitere Tipps, wie man seinen Hund schon daheim im Flachland auf die Berge hin trainieren kann, werden den Teilnehmern an die Hand gegeben. Im Theorieteil an den Abenden hat auch die Erste Hilfe einen großen Anteil. Ganz genau erklärt die Seminarleiterin, was in ein Hunde-Erste-Hilfe-Set gehört, wie ein Pfotenverband anzulegen ist und was man bei Notfällen am Berg wie Hitzschlag, Knochenbruch oder Schlangenbiss zu tun hat.
„Unbedingt Ruhe bewahren und sehen, wie man den Hund am besten ins Tal bekommt”, so lautet die kurze Zusammenfassung der Trainerin, wenn der Hund tatsächlich nicht mehr von allein weiter laufen kann. „Am besten immer zur nächsten Hütte laufen. Hütten müssen irgendwie versorgt werden und die Pächter haben immer wenigstens einen Tipp und im Bestfall ein Auto oder eine Materialseilbahn parat.”
Flachland-Tiroler-Vierbeiner werden Bergziegen auf vier Pfoten
Bei der abschließenden Gruppen-Wanderung durch die beeindruckende Hochgebirgs-Moorlandschaft bis hin zum Talschluss hinter der Neuen Regensburger Hütte wird das Gelernte am letzten Tag gleich in
die Praxis umgesetzt. Alle Mensch-Hunde-Teams schlagen sich bei dieser Tour wacker – auch July schafft schließlich das Geröllfeld ohne größere Probleme und wedelt danach
glücklich und ausgiebig mit der Rute. „Sie wirkt sogar richtig stolz“, lachen ihre Besitzer freudestrahlend und planen gleich die erste Bergtour.
Dass sich das zuvor geübte Tragen für Hunde ganz schnell als überaus nützlich erweisen kann, zeigen Michaela mit ihrem Cavalier-King-Charles-Spaniel Justin und Kristin mit ihrer
West-Highland-Terrier Hündin Nayeli. Beide Hunde stehen auf ziemlich kurzen Beinen und ihre Besitzerinnen wollen ihren Hunden nach dem anstrengenden Wochenende nicht den gesamten, steilen Abstieg
zumuten. Kurzerhand wird Justin in Michaelas Rucksack und Nayeli in ein eigens mitgebrachtes Baby-Wickeltuch fest vor Kristins Bauch verpackt.
Ohne zu zappeln, nein, eigentlich durchaus zufrieden gucken die Vierbeiner aus ihrer Trage, als sich die Fraulis an den Abstieg machen.
Nach dem Wochenende im Stubaital sind sich alle einig: Aus acht Flachland-Tiroler-Hunden sind am Ende ganz ansehnliche Bergziegen auf vier Pfoten geworden...
Habt ihr auch schon mal so ein Seminar mitgemacht oder kennt ihr jemand, der seriös ähnliche Veranstaltungen anbietet? Dann postet das doch (evtl. mit euren Erfahrungen) unten in den Kommentaren für andere Interessierte – Susanne bietet leider das Seminar in dieser Art nicht mehr an.
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Rebekka (Sonntag, 30 Oktober 2016 19:18)
Sehr interessanter Beitrag! So richtig ins Gebirge habe ich mich mit meinem Hund noch nicht getraut, und was im Seminar gelehrt wurde, scheint wirklich sinnvoll und wichtig zu sein. Werde mich mal informieren, wo solche Trainings noch angeboten werden. Insofern: Vielen Dank für die Inspiration!
Johannes Hepting (Donnerstag, 03 November 2016 16:57)
Hallo Rebekka und alle Andere!
Wir führen seit einigen Jahren solche Kurse und Alpenüberquerungen durch.
Bei Interesse: www.alpinhunde.de oder www.hunde-wanderungen.com
Auf den Alpenüberquerungen fliessen die Kurse ins tägliche "Wander-Geschehen" mit ein.
Liebe Grüße Hannes Hepting
Andrea Obele (Freitag, 04 November 2016 09:15)
Hey Johannes, danke für deine Info! :-)
Andrea