Provokante Frage: Muss der Hund immer mit auf den Berg?

Muss der Vierbeiner eigentlich immer zum Bergwandern mit? Meine ganz persönliche Auseinandersetzung und Erfahrung

mit dieser Gewissensfrage. Und warum ich jetzt mit "nein" antworte ...

Ihr wundert euch sicher, warum genau diese Frage von jemanden kommt, der ein Buch übers Wandern mit Hund geschrieben hat und einen Blog zum gleichen Thema betreibt. Die Antwort muss ja auf alle „Felle“ ein ausdrückliches „Ja!“ sein – oder etwa nicht? Vor einigen Jahren hätte ich euch genau das gesagt, aber mittlerweile bin ich etwas anderer Meinung. Warum, das möchte ich euch im Folgenden erzählen…

Ganz klar ist, dass der Hund nicht mit auf den Berg kann, wenn er verletzt, zu alt oder zu jung ist oder die Tour für Hunde einfach nicht machbar ist. Da gibt es für mich von vornherein keine Frage – außer die, ob man dann nicht gleich besser eine hundefreundlichere Tour aussucht. Aber auch genau deshalb sind unsere Bergerlebnisse momentan sehr eingeschränkt: Erst fast zwei Monate Ruhigstellung wegen des muskulären Überlastungssyndroms von Ari, jetzt komplette Zwangspause wegen seiner Not-Operation.

 

Soll ich euch was sagen – klar bin ich genervt, weil ich schon ewig keine Bergtour gemacht habe. Klar könnte ich Ari auch bei meiner Mama „parken“, aber im Moment ist meine Priorität einfach, einen gesunden Hund zu haben. Da das Verbinden der OP-Naht nicht gerade einfach und Ari mittlerweile ziemlich zickig ist, ist es für mein Gewissen einfach beruhigender, wenn ich ihn selbst unter meinen Fittichen habe. Genau das geht halt nicht, wenn ich einen ganzen Tag am Berg verbringe.

Entscheidung aus dem Bauch: Der Hund bleibt daheim ...

Diese Entscheidung fällt mir aber nicht so schwer, wie die, die ich genau vor einem Jahr getroffen habe. Es war ein trockener Herbst, kein Schnee weit und breit und wir hatten an Silvester nichts vor – außer eine Bergtour zu unternehmen. Da der Wetterbericht gegen Abend Regen meldete, wollten wir nicht zu weit fahren und entscheiden uns für den Hochstaufen. Übrigens einer meiner Lieblingsberge. Es sollte über den Jägersteig gehen, dessen Streckenverlauf ich aber nicht mehr genau im Kopf und in Begleitung eines Hundes noch nie gemacht hatte. Meine Bekannten waren geteilter Meinung: Die einen halten den Jägersteig mit Hund für durchaus machbar, andere haben die Tour schon abgebrochen, weil sie es ihrem Hund nicht zugetraut hatten. Das ist übrigens für mich eine der wichtigsten Komponenten, die bei der Entscheidung „kommt der Hund mit oder nicht“ eine Rolle spielt - nämlich das Wissen und das Gefühl dafür, ob der eigene Hund die Tour „im Kreuz“ hat!

Ich ging also nochmal im Kopf die Wanderung durch, überlegte, wie fit die Hunde meiner Bekannten sind und entschied dann für mich, dass „Mein Wanderhund“ den Jägersteig auf alle Fälle schaffen wird. Einer tollen, gemeinsamen Silvestertour stand also nichts im Wege. Am Abend hatten wir die Rucksäcke gepackt und waren frohen Mutes. Schon in der Nacht wachte ich aber nervös auf – keine Ahnung warum. Am Morgen beschlich mich ein unsicheres Gefühl, mein Bauch sagte mir einfach, dass es nicht gut sei, Ari mitzunehmen. Es war ein komisches Gefühl, dass ich bis jetzt nicht genauer beschreiben kann. Da ich in meinem Leben aber gelernt habe, das Bauchgefühl nicht vollständig zu ignorieren, entschied ich mich in Absprache mit Sven dazu, Ari zuhause zu lassen. Bei meiner Mutter ist er ja gut aufgehoben.

Schlechtes Gewissen bei der Wanderung: Ari wollte mit auf den Berg!

Mit einem besseren Gefühl, aber einem richtig schlechten Gewissen – Ari schaute uns sooo traurig nach, als wir endlich starteten, ging es also Richtung Hochstaufen. Die Sonne kam raus und wir genossen den Aufstieg. Irgendwie merkte ich aber nach einer Stunde, dass ich nicht so fit bin wie sonst. Auf einem Grasstück kurz vor dem eigentlichen Steig rutschte ich dann weg und fiel saublöd auf die Seite. Danach ging es mir irgendwie – naja, komisch einfach. Aber auch nicht so schlecht, dass man ans Umdrehen denkt.

Vor uns war übrigens ständig eine Hündin mit ihren beiden Besitzern unterwegs, und mein schlechtes Gewissen rumorte in meinem Kopf, ihr könnt das wahrscheinlich nachvollziehen: „Warum hast du Ari zurück gelassen?“. Auch die erste „Hundeschikane“, eine Leiter bzw. deren „Umleitung für Hunde“ nahm diese Hündin mit Bravour, Ari hätte das auch locker geschafft. Wieder der Gedanke: „Einfach schade, dass er nicht dabei ist …“

Weiter ging es über den aussichtsreichen, schmalen Steig Richtung Gipfel. Ich wurde immer unsicherer, meine Konstitution immer schlechter, meine Knie gaben teilweise nach, offensichtlich brütete mein Körper etwas aus oder (Frauen werden das kennen) die Hormone spielten verrückt). Ich wurde immer langsamer, um annähernd so trittsicher zu sein wie sonst. Das war der erste Moment, in dem ich dachte: Gott sei Dank hast du den Hund nicht dabei! Ich hatte soviel damit zu tun, auf mich selbst zu achten, dass ich nie auf meinen Vierbeiner hätte aufpassen können. Wahrscheinlich hätte mich das sehr gestresst, selbst mit mir so viel zu tun zu haben und in dieser Verfassung die Verantwortung für den Hund möglicherweise schleifen lassen zu müssen. Zumal Ari diesbezüglich mega sensibel ist und selbst sehr unruhig wird, sobald er merkt, dass ich unsicher oder komisch bin.

Lehrreiche Erfahrung am "Schicksalsberg" Hochstaufen

Ich musste an dem Steig, den ich normalerweise locker gehe und wirklich genieße, mehrfach Pause machen. An dem Tag war einfach für mich nicht mehr drin, mental baute ich auch immer weiter ab. Zum Umdrehen war es hier schon zu spät, also machte ich mit Unterstützung meines Freundes einen Schritt vor den anderen und „quälte“ mich fast hinauf.

Oben angekommen war ich froh um die Pause, den Gipfelschnaps und darum, auf mein Bauchgefühl gehört zu haben und meinen Vierbeiner sicher zu Hause zu wissen. Was für eine Kombination wäre das denn bei diesem Aufstieg gewesen? Jedenfalls keine, die Spaß macht. Nach der Pause ging es an den Abstieg über den Normalweg, der kein Problem darstellte. Allerdings gab es auf der Hälfte der Strecke schon die Böllerschützen im Talkessel zu hören. Laut, und zwar ziemlich laut. Für meinen Hund im Normalfall kein Problem, aber wer weiß, was nach so einer Tour bei ihm vorgegangen wäre. Wieder war ich froh um meine Entscheidung, die am Morgen nicht rational, sondern ohne „richtige“ Begründung aus dem Bauch heraus getroffen worden war.

Alles in allem ist also meine persönliche Antwort auf die oben gestellte (provokante) Gewissensfrage: „Muss der Hund immer mit auf den Berg?“ ein klares „Nein“. Und: Hört mehr auf euren Bauch!

Kommt der Hund mit oder nicht? Ein paar Entscheidungshilfen ...

Für mich spielen vor einer Tour immer (unter anderem) folgende Fragen eine Rolle, und vielleicht können sie euch auch helfen, zu entscheiden, ob ihr euren Vierbeiner auf eine Bergwanderung  mitnehmt oder nicht:

  • Ist euer Hund insgesamt fit genug für die Tour?
  • Könnt ihr euren Hund auch in Gefahrensituationen gut einschätzen?
  • Ist die Wanderung grundsätzlich für Hunde geeignet?
  • Fühlt ihr euch selbst auch der Tour absolut  gewachsen?
  • Kennt ihr die gefährlichen Stellen bzw. habt ihr genügend Zeit und die Möglichkeit, im Notfall umzudrehen?
  • Habt ihr ein gutes Gefühl bei der ganzen Sache?


Wenn ihr eine Frage nicht zu 100 Prozent mit einem ausdrücklichen „Ja“ beantworten könnt, ist es vielleicht besser, auf die Begleitung des Vierbeiners zu verzichten …

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